Depression ist in Österreich eine unerkannte Volkskrankheit. Laut Studien leiden fünf Prozent der Bevölkerung, das…
Dr. Ute Schulz: „Gesundheit und Wohlbefinden sind von unschätzbarem Wert”
Dr. Ute Schulz ist Allgemeinmedizinerin und leitet seit 2012 eine Praxis in der Stadt Salzburg. Wie rund 100 Kolleginnen und Kollegen allein in der Landeshauptstadt nimmt sie am Programm Helden.Check teil und ermöglicht Männern eine kostenlose jährliche Vorsorgeuntersuchung. In unserem Blog-Interview spricht sie über die Gründe für ihr Engagement und ihre Erfahrungen mit männlichen Patienten. Außerdem richtet sie einen leidenschaftlichen Appell an die Salzburger Männerwelt.
Frau Dr. Schulz, Männer stehen in dem Ruf, erst dann zum Arzt zu gehen, wenn es nicht mehr anders geht. Entspricht das auch Ihrer Erfahrung?
Auf die meisten Männer trifft das tatsächlich zu. Natürlich gibt es auch den Typ, der wegen jedes Wehwehchens zum Arzt geht, aber meist muss ein Problem schon deutlich sicht- oder spürbar sein, damit „Mann“ in die Ordination kommt.
Bestimmt Fragen Sie Patienten von Zeit zu Zeit, warum sie nicht früher zu ihnen gekommen sind. Was sind die typischen Antworten?
Das häufigste Argument ist Zeitmangel. Männer finden es schwierig, Zeit für Arztbesuche einzuplanen – Arbeit und andere Verpflichtungen werden als wichtiger erachtet als die eigene Gesundheit. Dahinter steckt allerdings oftmals die Verleugnung eines Problems, die Angst vor der Diagnose oder ganz einfach die Schwierigkeit, über Gesundheitsprobleme zu sprechen, besonders wenn es sich um intime Themen handelt. Und leider erachten einige den Gang zum Arzt auch als Zeichen von Schwäche.
Manche Patienten leiden also lieber, als vorzusorgen? Wie ist das erklärbar?
Viele Männer versuchen es zunächst mit Selbstmedikation, anstatt professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das geht auf den ersten Blick schneller, man benötigt keinen Termin und bleibt vermeintlich selbstbestimmt. „Mann“ will als unabhängig und selbstständig wahrgenommen werden, die Verleugnung eines Problems scheint so gesehen oft einfacher als die Konfrontation und Lösungssuche. Dahinter steckt auch ein weniger ausgeprägtes soziales Netzwerk: Frauen tauschen sich häufig mit Freundinnen oder Familienmitgliedern über Gesundheitsfragen aus und werden somit eher zu Vorsorgeuntersuchungen ermutigt.
Warum ist es Ihnen wichtig, Männern als Partnerin der Initiative Helden.Check eine kostenlose Vorsorgeuntersuchung pro Jahr zu ermöglichen?
Als Ärztin legt man den Hippokratischen Eid ab, Gesundheit und Wohlergehen der Patienten sind also unsere obersten Anliegen. Durch Vorsorgeuntersuchungen werden Krankheiten frühzeitig erkannt und behandelt, die Heilungschancen deutlich erhöht und viel Leid vermieden bzw. gelindert. Es macht mich traurig und wütend zugleich, wenn wir Menschen durch schwerwiegende Komplikationen verlieren, die man durch eine frühzeitige Diagnose und Behandlung abwenden hätte können.
Mussten Sie das auch in ihrer Tätigkeit erleben?
Leider ja. Ein Fall ist mir besonders in Erinnerung: Es war ein Mann, den ich über Jahre zu einer Koloskopie (Anm.: Darmspiegelung) zu bewegen versucht habe. Erst als seine Symptome unerträglich wurden, hat er zugestimmt und dann war es zu spät. Er ist 62-jährig völlig umsonst verstorben.
Wie läuft die Vorsorgeuntersuchung ab?
Die Vorsorgeuntersuchung beinhaltet zwei Termine. Beim ersten wird Blut abgenommen und Harn gesammelt. Die Proben werden zur Untersuchung ins Labor geschickt, um eventuelle Auffälligkeiten zu erkennen. Der zweite Teil umfasst die körperliche Untersuchung – Herz und Lunge abhören, Bauch abtasten. Haut screenen, Gelenke checken usw. –, eine Blutdruckmessung und ein abschließendes Gespräch. Hier geht es neben der Besprechung eventueller weiterer Untersuchungen auch um Ratschläge zur gesunden Lebensführung.
Apropos: Sie besitzen unter anderem ein Diplom in Ernährungsmedizin. Ist eine gesunde Ernährung oder generell eine gesunde Lebensweise eine Alternative zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung?
Sich gesund zu ernähren und gesund zu leben sind entscheidend für die Erhaltung der Gesundheit. Sie tragen zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens bei, senken das Risiko für chronische Krankheiten wie Herz-Kreis-Erkrankungen, Diabetes und bestimmte Krebsarten und stärken das Immunsystem. Dennoch sind sie kein Ersatz für Vorsorgeuntersuchungen. Viele Krankheiten einschließlich Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten können in führen Stadien asymptomatisch sein, verursachen im weiteren Verlauf aber schwerwiegende Probleme.
Um welche typischen Männerkrankheiten geht es hier konkret?
Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-II-Diabetes, Lungen-, Darm, Haut- und Prostatakrebs. Hier kann Früherkennung tatsächlich Leben retten.
Was können Sie darüber hinaus frühzeitig erkennen, das vielleicht nicht unmittelbar lebensbedrohend ist, aber sehr wohl die Lebensqualität einschränkt?
Das reicht von der frühzeitigen Erkennung von Fehlhaltungen, die in weiterer Folge chronische Rückenschmerzen bedingen können, über Depressionen und Schlafapnoe (Anm.: Müdigkeit und Konzentrationsprobleme durch nächtliche Atemaussetzer und einen wenig erholsamen Schlaf) bis hin zu Schilddrüsenerkrankungen. Eine Unter- oder Überfunktion der Schilddrüse kann eine Gewichtszunahme oder einen Gewichtsverlust, Haarverlust und viele andere Symptome mit sich bringen.
Ihr abschließender Appell an die Salzburger Männer …
Liebe Männer, eure Gesundheit und euer Wohlbefinden sind von unschätzbarem Wert – für euch selbst, aber auch für eure Familie und eure Freunde. Geht zur Vorsorgeuntersuchung, um eure Gesundheit zu schützen und euer Leben zu verlängern. Es ist ein kleiner Schritt mit einer großen Wirkung!